Hassliebe. Das ist das passende Wort für mich und mein Sonne Mond Sterne Festival. Und wie es so oft ist mit dem Hass, liegt der Grund für ihn weniger in dem gehassten Objekt, sondern ehrlich und eigentlich in einem selbst. Denn. Der einzige Grund für meinen Hass ist die gotterbärmliche Schlaflosigkeit, unter der ich jedes Mal leide, wenn ich auf meinem Lieblingsfestival ankomme. Zwar bin ich bisher (bis auf eine Ausnahme) immer der Fahrer gewesen, aber trotzdem komme und kam ich nie zur Ruhe. Auch dieses Mal. Doch mich stachelt so etwas immer mehr an, als dass es mich im Feiern behindert.
Fangen wir von vorne an.
Es ist wie nach Hause kommen, sagt M zu uns, als wir Freitagmittag in Saalburg aufschlagen, wo schon zigtausende ihre Zelte und Anlagen aufgebauten haben, und halb nackt in der brennenden Sonne liegen. Sie hat natürlich Recht damit. Zwar ist das Festival über die Jahre gewachsen (dort, wo wir dieses Mal campieren, hatte ich mich früher vor dem Lärm und der Schlaflosigkeit verstecken wollen was nie geklappt hat…), doch mit ihm auch unsere Herzen. Schon einen Tag später hat man das Gefühl, als wäre man immer da gewesen, und als gäbe es nichts anderes, als dieses Festival für elektronische Musik, und das ganzjährliche Leben ist das eigentlich Trugbild. Ich weiß nicht mehr wie oft ich schon dort war, 5 oder 6 Mal es spielt aber auch gar keine Rolle. Zwar sage ich jedes Mal: Nie wieder. Doch mit einem Lächeln im Herzen füge ich hinzu: Bis zum nächsten Mal.
Sich mit den beiden Mädels M und S Sonne-Mond-Sterne-technisch zu verbünden erwies sich (da greife ich jetzt voraus) als wahrer Glücksgriff. Wir kamen gut miteinander aus, auch wenn ich (selbstverständlich) meine Schimpftriaden wenig zügelte. Das mit uns klappte vom ersten Moment an. Wir bauten gemeinsam unsere Zeltstadt auf, reflektierten aber auch darüber, wie unsinnig es ist mit der Naturbelassenheit der Location Werbung zu machen (wirklich wunderschön dort), um dann das ganze Szenario von 70000 Füßen Plattwalzen zu lassen.
Es war heiß. Viel zu heiß für meinen Geschmack. Und so zierte ich mich mit der Trinkerei anfangs etwas. Freitag ist mein Tag, ist mein alljährliches Motto: Ich kann immer nur Freitags trinken, da ich am Sonntag fahren muss. Deswegen drehe ich an diesem Tag immer ziemlich (total) ab. Da nehme ich mir einfach ein paar Freiheiten die ich mir sonst nie nehmen würde. Es gab schon SMS-Freitage, wo Freunde hinter mir her rannten, und sich bei den von mir (immer im Spaß und einer gehörigen Portion Selbstironie und Schalk) angepöbelten Festivalbesuchern entschuldigten (einen schönen Gruß an Collin Fernandes von hier 😉 ) . Dieses Jahr war es nicht so extrem. Wahrscheinlich hat es mir gut getan, mit den beiden Mädchen (eigentlich Frauen) unterwegs zu sein, die mich im richtigen Moment getreten haben 🙂 Auch wenn ich bei Prodigy schon eine ziemlich große Klappe hatte :p
Ich weiß gar nicht mehr, wann genau wir runter sind. Es war ein gutes Stück bis zum Festivalsgelände selbst, aber den ersten Akt, bei dem wir kurz in große Zelt (Maincircus) reingeschlüpft sind, war Hanson & Schrempf vs Reche & Recall. Hanson & Schrempf sind ein typischer, progressiv schranziger SMS-Act, bei dem die Ossis richtig ab- und durchdrehen. Dort wird von der ersten Minute an wahnsinnig Gas gegeben, getanzt, gejohlt und geschrieen. Sonne Mond Sterne! Wir sind wieder da! Und gibt dem Nächsten High 5. Schön, dass du auch wieder da bist. Fremder.
Nach kurzem Einwippen sind wir dann aber wieder raus, zum Zelt des Label der Labels, Sven Väths Label: Cocoon. Dort legte das Sven Väth-Abziehbildchen Frank Lorber auf, der einen groovigen Sound raus ließ, der Zeit und Raum zum Herumblödeln gab: Spaß ist doch das Wichtigste bei so einer Veranstaltung, und ich kann gar nicht verstehen, wie manche brutal böse in sich gefangen die Sache viel zu ernst nehmen. Ich sage es wieder einmal, und wiederhole mich gern:
Feiern ist Spaß haben und Tanzen. Nicht Drogen fressen.
Sich selbst nicht zu ernst nehmen. Ds sollte nicht vergessen werden.
Wir groovten und lachten dann da so also herum, bis wir uns entschieden zu The Prodigy zur Openair Mainstage zu gehen.
Die Herren aus England wollten und wollten nicht auf die Bühne kommen, und so bot sich mir (leider und zum Glück) viel zu viel Zeit um mich mit den Menschen um mich herum anzulegen und gleichzeitig anzufreunden. Ich würde mich in solchen Phasen als anstrengend bezeichnen aber Herr Gott verdammt noch mal, es macht immer so viel Spaß…
Prodschi (Ostdeutsch ausgesprochen) kamen dann mit zwanzig Minuten Verspätung auf die Bühne (ohne ersichtlichen Grund) und zwar erst, als sie im ganz, ganz großen Rahmen ausgepfiffen wurden (ein Hoch auf die mündigen Feierleute!). Es dauerte dann eine Weile bei mir und meinen Mitstreiterinnen (die ich natürlich verlor), bis wir den Jungs diese Frechheit vergaben (wir hätten uns gern ein paar andere Künstler angesehen, anstatt hier blöd rumzustehen). Mich hatten sie dann schließlich nach einer guten halben Stunde mit Firestarter, da sprang der Funke über.
Um das mal festzuhalten: Prodigy ist keine gute Live-Band. Die Performance ist elendig und unspektakulär. Das, was diese Kombo live aber so unglaublich macht, sind ihre Fans, denn die sind es, die total durchdrehen und so ein Konzert unvergesslich machen.
Ich hatte mit den Jungs noch eine Rechung offen 🙂 und hier und heute (gesund!) war das Tanzen und Pogen gar kein Problem. Es machte mir viel mehr Spaß als auf der Tour im Februar (Februar?); es war eigentlich sogar ziemlich toll, zeitweise. Dabei war es recht witzig mit anzusehen, was für Probleme diese Band im Mittelteil ihres Gigs hatte, um die kurzzeitig müde werdende Masse anzustacheln: Schon blöd wenn man immer ein Selbstläufer ist, und plötzlich was bieten muss 😉
Danach ging es M (der es schon zuvor wirklich leider nicht gut ging) immer schlechter. Sie musste zurück zum Zelt, wo sie auf S traf, die wir nicht wieder gefunden hatten. Es ist immer ein blödes Gefühl, wenn einer von meinen Leuten Krankheitsbedingt ins Zelt muss, und man selbst nichts machen kann, außer weiterzufeiern. Aber was soll man machen?
Ich bin dann rüber zu Carl Cox ins große Zelt. Der Carl hatte mich auf der diesjährigen Time Warp ziemlich enttäuscht. Zu viele Flächen und Melodien für meinen Geschmack. Doch hier lieferte er wieder ganz großes Techno-Emotions-Kino.
Er spielte harten, ehrlichen und treibenden Techno, ohne Schnörkel, aber dafür mit ein paar Hitchen eingestreut: Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu tanzen. Es war einfach nur toll. Die Minuten verwelken wie Sekunden. Alles schwitzt und dampft. Dröhnt und poltert. Der Bass. Die Seele. Das Herz. Es störte mich nicht mal sonderlich, dass mir mein Vordermann unabsichtlich aber dennoch brutal in der Fresse schlug ohne sich zu entschuldigen. Als ich ihn dann zur Rede stellte, versuchte er sich in einer Fremdsprache zu rechtfertigen, die ich nur allzu gut kannte, und dennoch um so weniger verstand: Druffisch.
Ich lies es dabei bewenden.
Oben immer noch der gutgelaunte Carl, der niedlich anzusehen war, total happy über jede Platte, die gut ankam, und mittanzte. Und wer den dicken schwarzen Carl kennt, der weiß, wie zum Knuddeln er in dem Moment rüberkam 🙂

Es war ein bombastisch treibendes Set, und danach war ich glücklich und zerschwitzt. Der Alkohol war auch verflogen. Dankbar schob ich mich nach draußen.
Auf der Mainstage hüpften Deichkind herum, und ich ließ mich einfach auf die Nachtgraue Wiese fallen, und sah dem Yippie Yippie Yeah-Programm zu. Luftholen war angesagt. Aber ich fühlte mich auch etwas einsam und verlassen, und so nahm ich mir vor nach etwas Sven Väth dem Abend ausklingen zu lassen.
Der kam nach den Deichkindern, und ich reihte mich direkt vor der Bühne ein, wo das typische Väth-Publikum-Gerede seinen Lauf nahm: Jetzt kommt DER Sven. Jetzt wird Alles gut. Der Baba wirds schon richten. Und: JAwohlll!
Ich benutzte sein Intro als mein Outro, und ging um etwa 4 Uhr 15 Richtung Zelt und filmte von ganz hinten (ich ging außen herum) noch ein paar Sekunden.
Dann: Diesen elendigen Berg hinauf.
Ich legte mich in meinem Schlafsack und dachte mir sofort: Das wird nichts mit dem Schlaf. So war es dann auch.
Ich schlief den ganzen Tag nicht. Weder am Morgen. Noch am Mittag. Oder am frühen Abend. Ich meditierte vor mich hin. Schwitzte. Fluchte und hasste. Scheiß SMS. Jedes Jahr wieder das Gleiche. HASShassHASS. Zwar fehlte in meiner Erinnerung hier und da eine Minute, Sekundenschlaf, doch mehr war mir nicht vergönnt. Nur daliegen. Den Atmen regulieren. Entspannen. Und warten.
Wer nun glaubt, dass ich Samstagnacht mehr tot als lebendig auf dem Festvial herumgeeiert bin, der täuscht sich gewaltig. Sowie Freitag mein Tag ist, ist Samstag der Tag, aber dem ich meinen Willen zum Wahnsinn, zum Tanzen, auslebe wie ein Irrer. „Jetzt erst recht“ ist dann mein Motto. Und: Irgendwann fallen sie alle um.
Ich fühlte mich vom Kopf her angeschlagen, wie immer, aber ich hatte Bock zum Feiern. Da störte es mich auch überhaupt nicht, dass die Mädels nach 3 Lieder von Northern Lite lieber den Technorhythmen folgten um halb 9 abends stand ich also schon wieder allein vor der Mainstage.
Northern Lite, Lokalmatadoren auf der SMS, zogen ihre Neopopshow ab, wobei sie wirklich (und ich konnte in dem Moment des Aufbruchs M und S verstehen) schwach anfingen. Aber dann hauten sie ihre Hits und Singles raus, und der dankbare Festivalbesucher konnte springen und singen was die Kehle und Bänder hergaben.
Ich muss wieder öfters Northern Lite hören, dachte ich mir dabei, und ließ das blöde Gefilme sein. Warum filmen, wenn man tanzen kann? 😉
Leider war der Gig viel zu schnell (und auch etwas abrupt) vorbei. Ich fand meine Mädels wieder, und wir schauten im Cocoon-Zelt vorbei. Dort konnte man sehen, wie man es nicht macht. Denn auch wenn man das tolle und exklusive Label ist, so könnte man sich doch etwas darum kümmern, dass die Menschen beim Tanzen nicht ersticken. Ich habe kein Problem mit Hitze, aber die Luft darin war einfach nur eklig zu atmen. Oben stand er unendlich dürrer Onur Özer, und M entschied (sehr weise) für uns: Wenn ich schon schlechten Sound hören muss, dann wenigstens draußen.
So spazierten wir am See entlang, vorbei am verankerten Party-Boot, und machten schließlich an der Second Stage halt. Dort legte irgendjemand auf, bei dem es keine Rolle spielt, wie er heißt. Klar ist Namedropping an sich Blödsinn, wenn der Sound denn gut ist, aber das war er nicht. Minimaltechno. Austauschbar aber auch nicht schlimm. Ich stand da so herum (etwas schonen musste ich meine müden Knochen dann doch) und überlegte, dass es bestimmt einige Leute gibt, die auf diesen Nebenbühnen (und davon gibt es hier einige) die ganze Nacht verbringen, um irgendeinem Niemand zuzuhören. Irgendwie ist das vom Gedanken her toll, jedoch nichts für mich.
Wir gingen dann lieber wieder in den Maincircus, wo Laurent Garnier seine Live-Band in Position brachte. Es war das gleiche fulminante Set wie auf der Time Warp. Wenn ihr die Möglichkeit habt, hört es euch in echt an. Diesen Druck und Groove, den der Meister aus Frankreich mit Trompete, Saxofon, Klarinette und jede Menge Maschinen erzeugt, muss man erlebt haben. Nicht nur gesehen, oder gehört.
Ein wahres Erlebnis.
Danach. Verlies fast das gesamte Publikum das Zelt. Doch schon strömten die ersten Irren herein, die Oizo! Oizo skandierten. Wegen ihm war ich eigentlich auf das SMS gekommen. Und auch die Mädels trafen pünktlich ein. Was folgte, kann man nur die Schweißschlacht von Saalburg nennen. Der Oizo (Mr Oizo) besorgte es uns ordentlich, aber auch das Publikum gab ihm reichlich Paroli. Die Leute drehten total durch, schrieen und sprangen, johlten und kreischten, umarmten und schlugen sich. Sie feuerten sich gegenseitig an, und forderten die, die nicht tanzten zum Durchdrehen auf. Mir sprang Einer auf den Rücken und wir hopsten Huckepack durch die Menge. Dann, wieder auf dem Boden der die Welt bedeutet (die Tanzfläche) ging es weiter. Immer weiter noch vorn. Hart. Kompromisslos. Und doch spaßig. Der Schweiß tropfte von der Decke und wusch unsere Seelen rein. S meinte zu mir, die eigentlich gar keine elektronische Musik hört und trotzdem die 1,5 Stunden Wahnsinn durchhielt, beim Verlassen des Zeltes: Ich habe noch nie so geschwitzt. Ich (lachend): Toll, nicht?
Ich selbst würde mich einen expressionistischen Tänzer nennen (4 Stunden mit den Ellenbogen wackeln hat für mich nichts mit Tanzen zu tun), und ich war voll in meinem Element. Es war der Wahnsinn. Ein 90 Minuten langer Ausnahmezustand. Wie das klingt?
Ein dickes Kompliment an die Ossis: Ihr seid die wahren Feierschweine. Und „Invaders must die“ entwickelt sich für mich langsam zu einer gern gehörten Tanznummer (richtig laut bitte schön) – irgendwie muss ich bei dem Lied immer an Afghanistan denken…
Draußen fanden wir dann auch M wieder, und wir ging rüber zu Fat Boy Slim. Meine Erwartungen an den Mann, der eigentlich Norman Cook heißt, konnte er gar nicht erfüllen. Zu Überlebensgroß ist sein Ruf, zu legendär seine Alben – und nach diesem Nu Rave Gewitter, muteten seine DJ-Künste fast konventionell an.
Sein Set war so auf die Visuellen Effekte abgestimmt, dass es mich nicht gewundert hätte, wäre da eine CD gelaufen, zu der er nur herumhampelte: Immerhin gab der da oben körperlich alles. Es wollte das die Leute Spaß hatten, und machte das, wofür er berühmt ist: Kommerzielles Fisten, wie er es nennt (so gesehen ist er der direkte Vorläufer des Nu Rave).
Die Visuellen Effekte waren dabei wirklich weltklasse. Gerade die Iggy Pop Einlage fand ich super. Es war insgesamt ok, aber nicht der Renner.
Und auch schon 4 Uhr. Ich sagte gut Nacht, und kletterte den Berg zum Zelt hoch. Die Mädels holten den Freitag nach, und kamen um halb 8 nach oben.
Da erwachte ich gerade, nach 3 Stunden Schlaf: Endlich!!! Schlaf!
Ich machte den Vorschlag zu fahren, und da sie ohnehin nicht mehr runter wollten, packten wir unser Zeug und fuhren los.
Natürlich wurde ich heraus gewunken, aber auf mein schnelles Angebot hin auszusteigen (nach der Kontrolle der Papiere) lies man uns weiterfahren. Rückfahrten von der SMS empfinde ich immer als witzig und befreiend. Die Stimmung ist immer gut (vielleicht gerade wegen der Übermüdung, hm
Bartkraul), und das war sie auch dieses Mal. War schön mit den Beiden :p
Ich bin vollkommen zufrieden mit diesem Jahr. Es hat eine Menge Spaß gemacht.
Und wie immer: Nie wieder Sonne Mond Sterne. Doch mit einem Lächeln im Herzen füge ich hinzu: Bis zum nächsten Mal.