„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Den Satz habe ich noch nie begriffen, bedenkt man, dass man immer und überall aufgefordert wird, unter seiner Würde behandelt zu werden. Siehe „Subways“, „Ikea“ usw. diese Orte, an denen man aufs härteste Gedutzt wird, total lässig und Amerikanisch soll das sein. Ich. Finde. Das gar nicht lässig. Es ist unhöflich auch wenn man hier noch nicht vom totalen Verlust der Würde sprechen kann.
Als Fußball-Fan (von Eishockey ganz zu schweigen) ist es auf eine andere Art schwer seine Würde zu behalten, da der von der Gesellschaft vorgeschriebene Fan-Code, dieses Wie-ein-Fan-auszusehen-und-sich-zu-verhalten-hat, ultrabrutal und unwürdig ist. Ohne Ballermann-Auftreten und Gegröle scheint es nicht zu gehen. Noch schlimmer dieses grauenhafte (noch einmal: grauenhafte) Merchandise in Schwarz/Rot/Geld (von wegen GOOOLD): Nichts gegen Schals… Doch was sollen diese Maler/Fischer-Cappys, Pickelhauben oder Perücken in den Nationalfarben? Diese eingefärbten Sonnenbrillen, die angemalten Gesichter und die Fähnchen-Mützen? Die Speedsuits, die Schwarzrotgelben Blümchenketten, Cowboy-Hüte, Zylinder oder altgriechischen Kampfhelme? Und nun mal ehrlich: Welcher Bierbäuchige Fan sollte ein Trikot tragen, in das eigentlich ein Mario Götze oder Schweinsteiger passen sollte?
Weshalb ist das Fan-Verhalten oft so Stil- und ja, Würdelos? Weshalb brauchen die Massen überhaupt diesen Herdentrieb, dessen Vorbild der irische Dorfsäufer aus dem 18ten Jahrhundert ist? Da würde sich sogar James Joyce im Grabe umdrehen…
Man muss diese Gesellschaftsspiele nicht mitspielen und am Ende greift einen doch der Gruppenzwang am Schlawickel und zieht einen mehr oder weniger hinein…
Weshalb verfallen unsere Sitten so derart, schon im Kleinen? Es ist ja nicht „der Einzelne“, es ist das große Ganze. Das „Öööööööööiiiiiii!!!“ der Betrunkenen ist zu dem Schlachtruf ganzer Generationen geworden. Und bedenke: Heute wird weniger gesoffen als früher. Und die Gesellschaft ist sehr viel freier als noch vor 40, 30 oder sogar vor 20 Jahren; wovon müssen sich die Leute denn heute noch freifeiern und trinken, als vor der eigenen Langeweile? Nimmt uns der Wohlstand die Würde? Steht die Dystopie von „Idiocracy“ nicht schon längst in den Startlöchern?
Die kultivierte Dummheit, die man mit der kultivierten Niveaulosigkeit gleichsetzen kann, ist allgegenwärtig. Auch. Und gerade weil diese Niveaulosigkeit anfangs sicherlich – und davon bin ich überzeugt – aus der Ironie geboren wurde, bis aus dieser Ironie eine Lebenshaltung geworden ist; das ist in etwa so wie es Leute gibt, die die Ironie von K.I.Z. oder eines Mc Fitti als ernste Überzeugungen auffassen. Solche Trottel gibt es. Und sie bestimmen, nach und nach unsere Würde.
Es geht nicht nur um die Verrohung der Sitten. Es geht viel mehr um die Einstellung dazu, wie man sich einen Traumgeisteszustand imagisiert und dann auch durchlebt.
Ich weiß, dass ist jetzt mal wieder sehr schwarz in schwarz geschrieben und das Thema kommt immer wieder bei mir. Doch ich werde nicht wanken. Und immer wieder für den Niveauvollen Absturz eintreten. Den es gibt. Und der jedem zusteht. So wahr mir Gott helfe.